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Färberhandwerk

HEMA GLOSSAR
Vom Vorgang des Färbens


Gefärbt wurde Wolle, Seide und pflanzliche Fasern wie Hanf oder Leinen. Letztere tragen allerdings keine brillanten Farbtöne, so dass ihre Einsatzmöglichkeiten auf Innenfutter etc beschränkt bleiben. Seide bringt die leuchtendsten Farben zur Geltung, ist aber wegen ihrer Kostbarkeit in einem bäuerlichen Bereich wie in unserem Dorf undenkbar.

Es bleibt allein die Wolle der Schafe, die unsere Vorfahren hier gefärbt haben könnten. Für Zwecke der Bekleidung unterlag das Tragen von Farben allerdings im Mittelalter strengen Kleidungsvorschriften, die den Bauern nur die natürlichen Töne der Wolle, von weiss über gelblich und braun bis schwarz, gestatteten. Dennoch ist es denkbar, dass sie die färbende Kraft der Pflanzen ihrer Umgebung gekannt und genutzt haben.

Färben kann man die ungesponnene Wolle ("in der Flocke"), die gesponnenen oder bereits verzwirnten Garne ("im Strang") oder auch die fertigen Gewebe. Jede dieser Möglichkeiten wurde auch tatsächlich angewendet. Das Färben in der Flocke beeinträchtigt die Wolle sehr, so dass nur die besten Qualitäten dieser Prozedur gewachsen sind. Dafür gelingt der Farbaufzug bei dieser Methode viel gleichmäßiger, als es bei einer Färbung im Strang möglich wäre.

Vor dem Färben wird die Wolle schonend gewaschen. Der Schweiß (Wollfett, Lanolin) kann dabei erhalten bleiben, er beeinträchtigt den Farbaufzug nicht. Entgegen der landläufigen Meinung verträgt Wolle jede Temperatur, kann also auch gekocht werden. Empfindlich reagiert sie nur auf die schnelle Änderung der Temperatur, d.h., die Steigerung sollte nicht mehr als 1°C pro Minute betragen. Man rückt daher den Kugeltopf in einer elliptischen Feuergrube langsam unter Drehungen immer näher an die Glut. Beherzigt man die Langsamkeit dieses Vorgangs, kann man nicht mehr viel falsch machen. Man muss die Wolle in reichlich Wasser bewegen, aber ohne sie zu verfilzen.

Zur Reinigung der Wolle verwendet man heute Kernseife. Im Mittelalter reichte es aus, die Seifenlauge der letzten Wollreinigung aufzuheben und mit Urin zu versetzen. Urin bewirkt die Veresterung der Fettsäuren aus der Wolle und bildet somit Seifenlauge. Obwohl also Seife als ein Luxusprodukt den Bauern noch völlig unbekannt war, erzielten sie mit ihrer urinhaltigen Wäsche einen ganz vergleichbaren Effekt.

Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren, um einen Farbstoff dauerhaft an die Oberfläche der Wolle zu binden. Bei den meisten Farbstoffen ist es nötig, die Wolle zuvor mit geeigneten Salzen zu beizen, um eine dauerhafte chemische Bindung der Farbstoffe zu erreichen. Einige Farbstoffe verändern sich chemisch durch Sauerstoff (Indigo) oder Licht (Purpur), nachdem die Wolle dem Färbebad entnommen worden sind. 
Dabei sorgt dieser Umwandlungsprozess für eine feste Bindung, es braucht also nicht gebeizt zu werden. Im Unterschied zu den Beizenfarbstoffen nennt man diese letzteren Farbstoffe deswegen Küpenfarbstoffe.

Die Beschaffenheit des Wassers beeinflusst die Farbe ebenfalls: Nur weiches Wasser, also Regenwasser sollten wir verwenden, denn der Kalk des Leitungswassers schadet der Wolle. 
(Man kann es zwar mit Soda erhitzen, um den Kalk abzusondern, aber das Soda entfettet die Wolle und ist somit ebenfalls schädlich.)

Trocknen muss die gewaschene Wolle im Schatten. Der nächste Schritt, die Beize, beeinflusst den Farbton ebenfalls ganz entscheidend. Von den vielen heute verwendeten Beizen sind im Mittelalter nur Alaun, Kalk, Asche, verfaulter Urin, Mist und Zinnsalze verwendet worden. Jede Beize erzielt ihre spezifischen Ergebnisse- aber auch die Menge der Beize wirkt sich aus. Nach dem kurzen Aufwallen der Beize nimmt man die Wolle heraus oder lässt sie im Beizbad abkühlen- aber nicht ausspülen!

Jeder Pflanzenfarbstoff erfordert eine ganz bestimmte Behandlungsweise. Doch selbst mit der Erfahrung von Jahrzehnten ist es nicht möglich, einen einmal erzielten Farbton exakt zu reproduzieren. Sie können über die Farbleiste zu Rezepten mit diversen Pflanzenfarben gelangen, doch etwas Spaß am Experimentieren ist dennoch nötig, um sich die Freude am Färben dauerhaft zu erhalten.