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Bauernkleidung - Allgemein

HEMA GLOSSAR
Hier geht es um Bauernkleidung - Allgemein.


Kunsthistorischen Quellen muss teilweise mit Misstrauen begegnet werden, wo immer sich der Stilwille der Epoche auf Darstellungen bäuerlicher Kleidung niederschlägt. Viele Darstellungen sind ohnehin nur symbolisch gemeint. Die bunten Farben der Buchmalereien und abgesetzte Besäumungen können nach literarischen Quellen für die reale Bauernkleidung ausgeschlossen werden. Aber auch die Literatur beschreibt die Bauernkleidung derart topisch als "graues Tuch", dass man skeptisch werden muss, ob dies immer so war. Erst im Überblick über eine Vielzahl bäuerlicher Darstellungen, dichterischen Beschreibungen, Kleiderordnungen und archäologischer Funde lässt sich ein gewisser Konsens herauskristallisieren, der uns nicht mehr als das "Ideal" einer Bauernkleidung angibt.

Fest steht, dass die Kleidung der Bauern über weite Entfernungen nahezu einheitlich war. Es war den Trägern nicht an modischen Schmuckformen gelegen, denn diese Kleidung war eine Arbeitskleidung. Ihr Schnitt folgte einfachen und funktionalen Prinzipien, einen Zuschnitt im eigentlichen Sinne gab es nicht. Vielmehr wurden die Gewebe materialsparend zu rechteckigen Tuniken (hemde, kittel) und Hosen (bruoch) zusammengesetzt. Die Farben werden in den Quellen als "grau" bezeichnet. Gemeint ist damit die Naturfarbe der Wolle oder Pflanzenfaser, also eine Farbpalette von weiß über beige und grau bis schwarzbraun. Im Dorf am Krummen Fenn können wir mit der Verwendung von Hanf anstatt Leinen rechnen. Für Leinen ist unser Boden ungeeignet, mittelalterlicher Hanfanbau ist dagegen durch die Pollenanalysen vor Ort nachgewiesen.

Sobald man die mittelhochdeutschen Begriffe wât, kleit, rok, hemde, bruoch, niderwât, surkôt etc. bestimmten Schnittformen zuordnen will, gerät man auf ein unsicheres Terrain. Bei der Festlegung von Länge und Breite der Kleidungsstücke können ebenso kontroverse Mutmaßungen angestellt werden. Die Rekonstruktionen, die im Museumsdorf Düppel getragen werden, sind das Produkt von Quelleninterpretation und praktischen Erfahrungen.

Das wât ist die mittelhochdeutsche Bezeichnung für das Erscheinungsbild des Menschen in seiner Kleidung. Es umfasst also die Gesamtheit der Kleidungsteile und bildet sogar eine Sinneinheit mit dem Träger. Als "dörperlich wât" (Bauernkleidung) gelten graue Kittel aus Hanf oder Leinwand. Wât ist aber auch der Stoff ("unversniten wât"). Das niderwât, also das "untere Kleidungsstück", ist nicht etwa ein Untergewand, sondern die Hose (bruoch). Sie wird nur von männlichen Bauern getragen. Die für heutige Verhältnisse enorm weiten Hosenbeine können innen geschlitzt sein, so dass die Ecken bei der Feldarbeit am Hosengürtel hochgebunden werden können. Die Weite ist nötig, um dem Träger eine große Bewegungsfreiheit bei der Arbeit zu gewähren, die bei engerer Schnittführung nur durch damals unbekannte komplizierte Schnitttechniken möglich gewesen wäre.

Eine andere Form der Hose ist die Wickelhose aus wahrscheinlich dreieckigem Tuch. Beinwickel schützen die Waden vor Kälte und Verletzungen. Reste von Geweben und alte Kleidungsstücke konnten so als Fußlappen aufgetragen werden, die mit einem Band gehalten wurden. Umhänge mit oder ohne Kapuze aus Wolle, bisweilen zu Loden gewalkt, waren das einzige Hilfsmittel gegen Kälte und schlechte Witterung. Eine verkürzte Form stellt die Gugel dar, eine Gewandform, die die Schultern und Oberarme bedeckt und in einer Kapuze endet. Sie ist ein typisches Stück der Hirtenkleidung, aber ob auch Bauern sie getragen haben, ist umstritten.

Schuhe wurden vielleicht auch von Bauern getragen. Aber sehr wahrscheinlich nicht aus Leder. Lederschuhe nutzen sich zu schnell ab, selbst die auf äußerste Armut bedachten Bettelorden verordneten bis zu einem Dutzend paar Schuhe im Jahr. Was im Kloster noch angemessen sein mag, auf feuchten Wiesen ist ledernes Schuhwerk völlig ungeeignet, es wird schnell nass und sehr langsam trocken. Bei Arbeiten, die die Füße gefährden, sind daher Holzschuhe denkbar. Keine Trippen! Dies sind Überschuhe zur Schonung der Lederschuhe für die Stadtbevölkerung. Im Winter wurden warme Filzstiefel getragen. Der kittel ist ein beiden Geschlechtern gemeinsames Obergewand, das in der Hüfte mit einem Strick gegürtet wird. An diesem Gürtel befestigte der Bauer gern sein Messer, oder wenn er zum Sensen ging den Wetzstein etc. Die Bäuerin trug ihre gerade benötigten Werkzeuge, Scheren, Spindel, Feuerzeug etc. nicht am Gürtel. Männer tragen den Kittel knielang, Frauen als knöchellangen Rock. In Material und Schnitt unterscheiden sich beide Formen des Kittels jedoch nicht. Der rok ist ein Sammelbegriff für Oberbekleidung von Männern und Frauen. Es muss also kein Kriegsgewand (wâpenrok) gemeint sein. So wird ein Büßergewand im Parzifal IX, 437 beschrieben als "hemde haerin under grâwem roc zenaehst ir hût". Die hoube als charakteristische Kopfbedeckung der Frauen wurde auf sehr vielfältige Weise angelegt. Wie sich die Form des Kopftuches regional und zeitlich veränderte, ist aus den Quellen nicht einwandfrei ablesbar. Es ist bei aller Armut durchaus wahrscheinlich, dass ein Bauer zwei Hosen besaß. Sei es, um die eine zu waschen, oder um für besondere Anlässe eine bessere Hose zu haben. (Parzifal XI, 570 beschreibt den Kleidungsbesitz eines Bauern: Fischhaut, surkôt, bônît, und zwuo hosen wît.)