Unser Bild, das wir von einem bestimmten historischen Zeitabschnitt haben, ist nichts weiter als eine Rekonstruktion auf der Grundlage von unterschiedlichen Überresten. Es handelt sich also im engeren Sinne um nichts anderes als eine Interpretation von Quellen. Um den Wahrheitsgehalt einer Quelle nicht zu über- oder unterschätzen oder sie in den falschen Kontext zu setzen, muss jeder Fund zunächst fachwissenschaftlich analysiert werden. Dazu gehören drei Schritte, die formale Analyse, die inhaltliche Analyse und die Bewertung bzw. Beurteilung. Im Falle der Bearbeitung im Rahmen des Reenactments wäre der dritte Schritt die Beantwortung der Fragestellung, inwiefern die vorliegende Quelle zu einer möglichst stimmigen Darstellung führen kann. Die in diesem Rahmen am häufigsten gebrauchten Quellenarten sind Bild- und Textquellen, darum soll der folgende Überblick auch besonders diese beiden Typen in den Blick nehmen.
Ein paar Grundsätze vorweg: Quellen repräsentieren fast immer nur einen kleinen Ausschnitt, ein Bruchstück aus der Vergangenheit. Dazu kommt, dass sie zumeist zu einem bestimmten Anlass entstanden sind. Diese Tatsache beinhaltet, dass Bild- und Textquellen in der Regel subjektiv sind, auch dann, wenn sich z.B. ein Stadtschreiber um Objektivität bemüht. Die mittelalterlichen Menschen waren eben Teil ihrer Welt, ihres Landes, ihrer Stadt oder ihres Standes, Berufes etc.. Das bedeutet, dass sogar Urkunden und Gesetzestexte von der perspektive des Verfassers beeinflusst sind, von seinem kulturellen, gesellschaftlichen und ideologischen Hintergrund. Das betrifft in besonderem Maße die Bildquellen, die darüber hinaus von den Wünschen des Auftraggebers abhängig sind, von dem zeitgenössischen Kunststil und -geschmack der Menschen und von den technischen Möglichkeiten. So sind Bildquellen zwar die schöneren Quellen, aber gleichzeitig auch die problematischeren, wenn es um die Frage nach der Objektivität und dem Quellenwert geht. Trotzdem zeigen Bildquellen oft in einzigartiger Weise Konstruktionsdetails, religiöse Vorstellungen, politische, gesellschaftliche und ästhetische Ideale und vieles mehr.
Die folgende Aufstellung soll sowohl für Bildquellen als auch für Textquellen anwendbar sein, auch wenn in der Fachwissenschaft normalerweise eine Trennung der beiden Quellentypen vorgenommen wird. Für die Belange eines sorgfältigen Reenactors sollte eine Kombination aber in jedem Fall ausreichen. Ebenso werden die Arbeitsschritte der folgenden Methode an die Fragen und Bedürfnisse innerhalb der Rekonstruktion von Kleidung und Ausrüstung angepasst.
Die folgende Aufstellung soll sowohl für Bildquellen als auch für Textquellen anwendbar sein, auch wenn in der Fachwissenschaft normalerweise eine Trennung der beiden Quellentypen vorgenommen wird. Für die Belange eines sorgfältigen Reenactors sollte eine Kombination aber in jedem Fall ausreichen. Ebenso werden die Arbeitsschritte der folgenden Methode an die Fragen und Bedürfnisse innerhalb der Rekonstruktion von Kleidung und Ausrüstung angepasst.
Um eine Quelle korrekt einordnen und verstehen zu können, ist es zunächst einmal wichtig, alle Rahmendaten zu erfassen. Nur so ist es möglich, z.B. Regeln, Reihenfolgen, Entwicklungen oder scheinbare Ausnahmen zu erkennen.
Formale Analyse:
- Um welche Textart/welche Art Abbildung handelt es sich (Rede, Gesetzestexte, Chroniken, Verträge, Urkunden, Biografien, Inschriften, Buchillustrationen, Gemälde usw.)?
- Wer ist der Verfasser/Maler der Quelle und was ist von diesem bekannt? (Z.B.: Neigt ein Maler dazu, in einem bestimmten Stil zu malen oder gehört ein Schreiber zu einer bestimmten gesellschaftlichen oder politischen Gruppe?)
- Was ist das Thema der Quelle? (Soll z.B. kritisiert oder überzeugt oder sich lustig gemacht werden?)
- In welchem historischen Kontext (Epoche, Ereignis, Prozess, Konflikt) lässt sich die Quelle einordnen?
- Wer ist der Adressat bzw. sind die Adressaten der Quelle? (Volk, Privatperson, bestimmte Gruppe, allgemeine Öffentlichkeit, Machthaber, Nachwelt, Institution usw.)?
Inhaltliche Analyse:
- Interpretations- und wertungsfreies Benennen der Inhalte, Argumente und Bildelemente der Quelle
- Erklären von Schlüsselbegriffen und Symbolik
- Verdeutlichen und Klassifizieren der Darstellungsweise (sachlich, polemisch, appellativ, argumentativ, manipulierend usw.)
Erläuterung
- Untersuchen und Klären der genauen Funktion eines Textes oder einer Abbildung im historischen Kontext. Spielen z.B. didaktische, religiöse, aufklärerische, soziale, rechtliche oder propagandistische Aspekte eine Rolle?
- Erfassen der Intention des Verfasser/des Malers. Welcher Eindruck soll beim mittelalterlichen Adressaten erzielt werden?
- Vergleich mit anderen Quellen
- Erklärungen anhand der Entstehungszeit der Quelle
Im Rahmen des Reenactments läuft die Interpretation historischer Quellen in der Regel darauf hinaus, die eigene Darstellung zu verbessern. Darum ist es an dieser Stelle nicht unbedingt notwentig, Werturteile abzugeben, die den modernen Wertehaushalt mit dem eines mittelalterlichen Menschen zu vergleichen oder die Angemessenheit von Vorschriften und Darstellungen zu beurteilen.
- Handelt es sich um eine historisch authentische Quelle? Wieviel Wahrheitsgehalt bzw. Verlässlichkeit ist der Quelle zuzuschreiben?
- Wie verhält es sich mit der Glaubwürdigkeit des Verfassers?