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Zornhau

HEMA GLOSSAR
Ein diagonaler Hieb von der Schulter mit der langen Schneide, auch als verborgener Hau bei Liechtenauer bekannt. Später auch als Meisterhau bezeichnet. 


Quelle - MS 3227a
(23r) Das ist von dem Zornhau. Wenn er Dich oben haut Zornhau Ort dem drohet. Wird er es gewahr, nimm oben ab ohne Furcht Und sollst Du auch so schreiten, immer zu der rechten Seiten. Bist Du stärker, dann winde dagegen und stich. Sieht er das, dann nimm es nieder. 
(23r-23v) Das ist der Zornhau mit seinen Stücken. Wer Dir oben haut, Zornhau Ort ihn drohet. Wird er es gewahr, so nimm oben ab ohne Gefahr. Bist Du stärker, dagegen und stich! Sieht er es, so nimm es dagegen. 
GlosseWenn jemand einen Oberhau gegen dich schlägt, solltest du gegen den Zornhau schlagen und dein Ort schießen. Wird er gewahr, ziehe das Schwert von seiner Klinge hoch und ab und schlage auf die andere Seite seines Schwertes. (Wenn er auch gegen dieses verteidigt, sei stark gegen das Schwert und winde den Ort für den Stoß. Wenn er diesen Stich verteidigt, so nehmen Sie das Schwert weg und schlagen niedrig zu seinen Beinen. = unklar)

Quelle - MS Dres.C. 487 (19r-19v) Lerne Absetzen. Haue, Stiche, künstlich verletzen. Wer auf Dich sticht, (…) Dein Ort trifft und seiner bricht. Von beiden Seiten, triff allemal, wenn Du schreitest. 
Glosse: Merck der zorñhaw pricht mit dem ort alle oberhaw |vnd ist doch anders nicht |wenn ein slächter paurñ slagk |vnd den treib also |Wenn dw mit dem zu° vechten zu ym kumst |haut er dir denn von seiner rechtñ seitten oben ein zu° dem kopff |So haw auch von dein° rechten seitten von oben an alle vor satzung |Mit im zornigklich ein auf sein swert |Ist er denn waich öm swert |so seüß im den ort gericht für sich lanck ein |vnd stich im zu° dem gesicht oder der prüst |So setz im an.
"Wird er es gewahr, nimm oben ab ohne Furcht"
Wann du mitt dem zorn haw den ort ein schüst wirt er dann deß orts gewar vñ verseczt den stich mit störcke |So ruck dein schwert übersich oben ab von dem sinen |Vñ haw im zu° der andren sÿtten an sine~ schwert wider oben ein zuo dem kopffe ~
"Bist Du stärker, dann winde dagegen und stich. Sieht er das, dann nimm es nieder."
Wenn du im mitt dem zornhaw° Inhaw°st verseczt er dir daß vñ pleibt dir damitt starck am schwert |So bÿß gen im wider starck am schwert |Vñ far uff mit der störck dines schwerts in die schwöchi sines schwerts vnd wind am schwert de din gehülcz f~ vorne~ für dein hopt haupt vñ so stich in oben zu° dem gesichte ~
Wann du Im mitt dem winden oben ein stichst / alß vor stett / fört er den hoch vff mitt den henden vñ versetzt mitt dem gehülcze den obern sttich stich so plÿb alst also sten in dem winden vnd setz im den ort niden zwischen sinen armen vñ der brust

Quelle - MS Germ.Quart.2020 (2r) Wer Dir oberhaut, Zornhau Ort dem droht. Wird er es gewahr, nimm oben ab ohne Gefahr. Bist Du stark dawieder, winde, stich sieht er es, nimm es wieder.
(11r) Merke Hier beginnt der Text und die Glossen.
"Wer Dir oberhaut, Zornhau Ort dem droht." 
Der Zornhau bricht mit dem Ort alle Oberhaue und ist doch nichts anderes als ein schlechter Bauernschlag. Und den mache so: Wenn Du in dem Zufechten zu ihm kommst (und) er haut Dir denn von seiner rechten Seite oben ein zu Deinem Kopf, so haue auch von Deiner rechten Seite von oben in die Schwäche am Schwert in die Versatzung gemeinsam mit ihm zornig ein, auf sein Schwert. Ist er dann weich am Schwert, stoß mit dem Ort geradeaus lang auf ihn ein und stich ihm zum Gesicht oder zur Brust. Setz ihm so an.
"Bemerkt er es, nimm oben ohne Gefahr ab."
Wenn du mit dem Zornhau zu ihm schlägst, stoß ihm den Ort lang zum Gesicht oder zur Brust, wie oben beschrieben. Bemerkt er dann den Ort und versetzt kräftig, indem er dein Schwert zur Seite drückt, reiß dein Schwert an seiner Klinge hoch und oben weg von seinem Schwert. Schlag ihm auf der anderen Seite wiederum an seiner Schwertklinge zum Kopf. Dies nennt man oben abnehmen. Brich dies folgendermaßen: Wenn er oben abnimmt, binde mit der langen Schneide an seinem Schwert kräftig in Richtung auf seinen Kopf.
"Sei stark gegen ihn. Winde und stich. Sieht er es, nimm es nach unten."
Wenn du einen Zornhau zu ihm schlägst, den er versetzt und stark mit der Versatzung am Schwert bleibt, so bleib auch du mit deinem Schwert stark an dem seinen. Fahr mit den Armen hoch auf, winde an seinem Schwert dein Gehilz vor den Kopf und stich ihm oben zum Gesicht. Bemerkt er den Stich und fährt mit den Armen auf, so daß er mit dem Gehilz versetzt, bleib mit deinem Gehilz vor deinem Kopf stehen und setz ihm den Ort unten an den Hals oder zwischen seinen beiden Armen an die Brust.

Thomas Stöppler: "Der Zornhau ist ein direkter Hieb von oben, der den Gegner mit dem Ort bedroht; der steht nur nicht in der Luft, sondern wird direkt nach vorn gebracht, quasi wie der Anfang eines Stiches, aber ohne, dass man sich jetzt komplett streckt. Den Stich "lang einschiessen" tut man erst, wenn die Bindung das erlaubt. Wenn das nicht klappt, gibt es Alternativen, die laufen besser, wenn man sich zuvor etwas kompakt hält. Zornhau trifft also potentiell:
  • direkt mit dem Hieb (Primärziel)
  • Mit dem drohenden Ort (wenn der Gegner sich etwas verschätzt oder netterweise hereinläuft)
  • Mit dem Stich (wenn der Gegner weich am Schwert ist und dabei ein Tempo verliert)"

Schwertler: "Einer der Meisterhaue (bzw. ein verporgen Hau aus dem liechtenauerschen System). Es handelt sich dabei im Grunde lediglich um einen diagonalen Oberhau von der rechten Schulter mit der langen Schneide. Geschlagen wird dieser im Zufechten meist vom Tag oder von der Schulter. Die Quellen bemerken selbst, dass der Schlag an sich keine Besonderheit darstellt (so wird bei Danzig1452: 13r gesagt, es wäre nichts anderes als ein slächter pauren slagk). Eine generelle Identifizierung des Zornhaus mit einem diagonalen Oberhau kann man aus den Quellen des 15. Jhdts trotzdem nicht herauslesen. Der Grund, warum der Zornhau gesondert betrachtet wird, dürfte zunächst in der taktischen Verwendung zu suchen sein:
Der Zornhau dient bei Liechtenauer zum brechen aller Oberhäue. Er wird dazu von oben (viele Quellen merken dies explizit an) in den gegnerischen Hau hinein und stets ins Hengen geschlagen, also so, dass der Ort auf Gesicht oder Brust des Gegners ausgerichtet ist. Aus dieser Position wird sofort gestochen, wenn der Gegner weich genug am Schwert ist. (Obwohl Ringeck auf 19r rät, stark zu schlagen, kann mit dem Zornhau kein Gewalthieb gemeint sein, denn sonst wäre dieses Fühlen nicht möglich. Interessanterweise spricht Speyer auf 14r auch nur von einem Hau, der zorniglich glich ist.)

Auch diverse Brüche gegen obige Techniken sowie teilweise wiederum deren Brüche finden sich in den Quellen, so dass die taktischen Varianten des Zornhau als in der damaligen Zeit sehr gut untersucht gelten dürfen. Ziel scheint es dabei in jedem Fall, durch schnell wechselnde Ziele und Techniken den Gegner im ständigen Nach zu halten.
Unter optimalen Bedingungen ist es mit dem Zornhau sogar möglich, einen mit einem Oberhau angreifenden Gegner indes zu treffen und sich selbst trotzdem zu schützen. GNM3227a: 23r empfiehlt zu diesem Zweck ausdrücklich, den Hau czum mane auszuführen, so dass der Stich eine zweite Absicht bleibt. An derselben Stelle wird auch gesagt, man solle eyme czu der rechten seiten, also zur eigenen linken Seite, gehen!
In den Quellen des 15. Jhdts ändert sich aber möglicherweise der Schwerpunkt, denn z.B. bei Danzig1452: 13r heißt es zwar noch, der Hau sei an alle vor saczung auszuführen, aber auch ausdrücklich auf sein swert. Ob aber hier tatsächlich bereits eine graduelle Wandlung eingetreten ist oder aber lediglich die Beschreibung der ersten Absicht implizit gelassen wird, kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden."

Drey Wunder Infos
Lichtenauer versteht den Zornhau als einen Verteidigungsschlag. Der Zornhau ist eine Technik, um aus dem Nach ins Vor zu kommen. Zornhau wird auch als ein "schlichter Bauernschlag" bezeichnet, da die Ausführung per se einfach ist. Weitere wichtige Faktoren beeinflussen aber erheblich ob wir damit Erfolg haben oder nicht. Es gewinnt Derjenige, der seine Stärke gegen die Schwäche des Gegenfechters nutzt. Das funktioniert aber nur dann optimal wenn wir uns etwas außerhalb der Zentrallinie des Gegenfechters befinden. Der Zornhau dient demnach zum brechen aller Oberhäue. Er wird dazu von oben und stets ins Hengen geschlagen, also so, dass der Ort auf Gesicht oder Brust des Gegners ausgerichtet ist. Aus dieser Position kann sofort gestochen werden, wenn der Gegner ausweicht.
Wenn alles stimmt und der Gegenfechter den Zornhau nicht als solchen erkennt und nicht zurück weicht, dann triffst Du ihn während Du ihn versetzt. Weicht er aber zurück, so dass Du ihn nicht triffst, dann muss aus der Zorhau ein Stich = Zornhau-Ort folgen. Dabei wird aus dem entstandene Sprechfenster direkt zur Kopf zugestochen. Dafür muss natürlich der eigene Ort bereits auf dem Gegner ausgerichtet sein.

Zornhau kann auch von der linken Seite geschlagen werden, wobei wir diese Version als wenig effektiv einstufen. 
Quellen:
Falkners Manuskript - (2v)
Den zornnhaw trib mit sterck , Hinder rugk das eben merck , Von baiden seidten , Stilsteen oder mit schreytten

Jörg Wilhalm, z.B. Cod. I.6.2°2 (Augsburg) - (3v)
Der stett im oberhaw, Das ist der ander zornortt,  Das ist der ander zorn ortt auff der andern seÿtten den nim auch also wen sy gand baid wie der zornhaw von der achsel vn[d d] mus ainer auss einem haw ain stich machen vnd mus den haw ver werffen vnd das nim auch flux hinweg wie das ober

Lernhilfe


Hauptübung

ZORN-01

Merke

- Hauwinkel ca. 30°
- eigene Schwäche zielt auf Magisters rechte Seite (eigene linke), Zornhau trifft potentiell direkt mit dem Hieb (Primärziel)
- “den Hau czum mane auszuführen
- optimale Ausführung: eigene Stärke an gegnerische Schwäche
- in "hängen" schlagen und Ort auf Gegner ausrichten

Magister
Discipulus

Übung 1 (fixe Mensur)

Oberhau aus der Stand. Zornhau aus der Stand. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen)

Übung 2 (ohne Partner)

---

Zornhau aus der Stand. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen)

Übung 3 (Variable Mensur)

Bewegt sich Vorwärts auf Discipulus zu und startet mit Oberhau nach eigenem Ermessen. Bewegt sich Vorwärts auf Magister zu und reagiert auf Magisters Oberhau mit Zornhau. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen).

Übung 4 (Variable Mensur)

Bewegt sich Vorwärts auf Discipulus zu und startet mit Oberhau nach eigenem Ermessen. Bewegt sich Rückwärts von Magister weg und reagiert auf Magisters Oberhau mit Zornhau. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen).

Übung 5 (Variable Mensur)

Bewegt sich Rückwärts von Discipulus weg und startet mit Oberhau nach eigenem Ermessen. Bewegt sich Vorwärts auf Magister zu und reagiert auf Magisters Oberhau mit Zornhau. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen).

Hauptübung

ZORN-02

Merke

- "Zornhau-Ort" wenn der Gegner weicht ist und nach hinten ausweicht (Meidbewegung)
- "winde dagegen und stich" wenn der Gegner hart ist und nach hinten flüchtet
- Zentrallinie muss gedeckt bleiben, keine "Streckung" bei "Zornhau-Ort"

Magister Discipulus

Übung 1 (Variable Mensur)

Bewegt sich Vorwärts auf Discipulus zu und startet mit Oberhau nach eigenem Ermessen. Bewegt sich Vorwärts auf Magister zu und reagiert auf Magisters Oberhau mit Zornhau. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen).

Option 1 - "Zornhau-Ort"

... reagiert auf Discipulus Zornhau, weicht mit der Oberkörper nach hinten aus, um nicht getroffen zu werden. ... sticht zu. 
Option 2 - "winde dagegen und stich" ... reagiert auf Discipulus Zornhau, weicht komplett nach hinten aus und bleibt relativ "Hart am Schwer" um nicht getroffen zu werden. ... (Stich reicht hier nicht mehr aus) inneres Winden nach links (Endposition Ochs links) mit Stich + Nachstellschritt (Verfolgen) je nach dem wie weit Magister nach hinten ausweicht. Wichtig: Bindung mit der kurzen Schneide, nur so können wir unsere eigene Stärke gegen Magisters Schwäche nutzen.
Option 2B - Weiterführung "Sieht er das, dann nimm es nieder." ... reagiert auf Discipulus inneres Winden mit Stich und reißt die Arme hoch (geht in "Kron"). ... "niedernehmen" d.h. Durchwechseln und ins Hals (oder tiefer) stechen.

Hauptübung

ZORN-03

Merke

- gegnerische Ort beim Versatzung beachten und entsprechend reagieren.


Magister Discipulus

Übung 1 (Variable Mensur)

Bewegt sich Vorwärts auf Discipulus zu und startet mit Oberhau nach eigenem Ermessen. Bewegt sich Vorwärts auf Magister zu und reagiert auf Magisters Oberhau mit Zornhau. (+ optional: Schritt nach vorne, Kraft damit nach vorne bringen).

Option 1 - "oben Abnehmen"

... reagiert auf Discipulus Zornhau, drückt Discipulus Ort nach Außen, um sich zu schützen.
(= "Dumme" Versatzung, da Ort den Gegner nicht bedroht)
... "oben Abnehmen" (Quelle) = Drücke in der Vorwärtsbewegung beim Einschießen mit der hinteren Hand den Knopf nach unten und bringe Deinen Dein Ort in einer knappen Bewegung über den Ort des Gegners. Zieh anschließend den Knopf kräftig wieder zurück und schlage nahe der Klinge Deines Gegners, steil mit der langen Schneide zu seinem Kopf, während Du den Schritt abschließt.
Option 2 - "Durch-wechseln" ... reagiert auf Discipulus Zornhau, drückt Discipulus Ort nach Außen, um sich zu schützen.
(= "Dumme" Versatzung, da Ort den Gegner nicht bedroht)
... "Durchwechseln" (Erfahrungeswert) = Löse deine Waffe ruckartig, kreisförmig aus dem Band. Dabei wird der eigene Ort unter der gegnerische Gehilz „durchgewechselt“ um sofort ein Stich setzen zu können.